Doctor-medic Roberta Udrescu – Fachärztin für Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde

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Welttag des Hörens 2019

Welttag des Hörens 2019

Der diesjährige Welttag des Hörens steht unter dem Motto „Check your hearing“. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wirbt damit für die Vorbeugung und frühzeitige Versorgung von Hörminderungen.

Dabei wird sie in Deutschland von Hörakustikern, HNO-Ärzten und dem Bundesverband der Hörgeräte-Industrie (BVHI) unterstützt. Der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, hat die Schirmherrschaft übernommen.

Eine unbehandelte Schwerhörigkeit hat Folgen

Eingeschränktes Hörvermögen kommt in jedem Lebensalter vor – bei Kindern und Jugendlichen genauso wie bei Erwachsenen und Senioren. Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt die Häufigkeit von Schwerhörigkeit in Deutschland bei 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Ab einem Alter von 70 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwerhörigkeit bei 50 Prozent. (1)

Schwerhörigkeit kann verschiedene Ursachen haben. In den meisten Fällen setzt sie schleichend ein und wird anfangs nicht wahrgenommen. Manche Betroffene verdrängen das Problem und wollen die fortschreitende Abnahme ihrer Hörfähigkeit nicht wahrhaben.

Dabei ist erwiesen, dass eine unbehandelte Schwerhörigkeit den kognitiven Leistungsverlust beschleunigen, eine Depression begünstigen sowie das Sturzrisiko erhöhen kann. Je früher also eine Hörminderung erkannt wird, desto eher kann
sie versorgt und eine sie ggf. auslösende Erkrankung diagnostiziert und behandelt werden.

Je nach Ursache, Art und Schweregrad einer Hörminderung kann nicht nur das Lautstärke empfinden betroffen sein, sondern auch die Wahrnehmung bestimmter Tonhöhen. Sie werden als Frequenzen gemessen und in der Ein-
heit Hertz angegeben. Gesunde Ohren hören ein Frequenzspektrum bis ungefähr 16.000 Hertz, maximal aber 20.000 Hertz. Frequenzen, die über diesem Wert liegen, lösen im Innenohr keine Schallempfindung mehr aus. Am besten hören wir den Frequenzbereich zwischen 500 und 6.000 Hertz – dies ist genau der Tonhöhenumfang der menschlichen Sprache.

Fehlende Frequenzen im Gespräch

Wer hohe Töne nur noch eingeschränkt wahrnimmt, unterliegt charakteristischen Missverständnissen im Gespräch. Vor allem stimmlose Mitlaute mit hohem Geräuschanteil wie S, F und SCH werden verwechselt – was den Sinn des Gesagten mitunter erheblich entstellt. Beispiele für eine Verwechslungsgefahr bei Hörminderung sind unter anderem „Baum“ und „Raum“, „Sand“ und „Hand“ sowie „Laus“ und „Maus“.

Woran man eine Hörminderung erkennt:

  • Telefon- oder Türklingel wird häufiger überhört.
  • Geräusche, die früher als störend empfunden wurden, werden nicht mehr wahrgenommen – zum Beispiel Lüfter-Geräusch vom Computer, Piepsen der Mikrowelle oder zeitweiliges Kühlschrankbrummen.
  • Keine Reaktion auf Naturgeräusche beim Spaziergang im Freien wie Vogelstimmen oder das Rauschen der Blätter im Wald.
  • Fernseher, Radio und Stereoanlage laufen lauter als gewöhnlich.
  • Besonders häufige Nachfragen am Telefon.

Prävention: Wichtig auch für junge Ohren

Die Weltgesundheitsorganisation weist darauf hin, dass Jugendliche einem wachsenden Risiko ausgesetzt sind, ihr Gehör nachhaltig zu schädigen – vor allem durch zu lauten Musikgenuss aus Smartphones und MP3-Playern oder in Clubs und Diskotheken. Über 1 Milliarde junger Menschen sind demnach weltweit gefährdet. HNO-Ärzte berichten, dass sich der Hörverlust im Hochfrequenzbereich bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland über 24 Jahre hinweg nahezu verdoppelt hat. (2)

Hörgeräteträger beugen vor

Eine Hörminderung erschwert die Kommunikation und belastet die zwischenmenschlichen Beziehungen (3). 88 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage von TNS Infratest erkennen im nicht optimalen Hören eine Quelle starker Beeinträchtigung für soziale Beziehungen. Mit gut angepassten Hörsystemen kann diesen Problemen vorgebeugt werden.

Hörgeräte verringern das Sturzrisiko

Bereits eine Hörminderung ab 25 Dezibel erhöht das Risiko zu stürzen um nahezu das Dreifache. Das ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Studie, die ebenfalls nahelegt, dass das Sturzrisiko für Hörgeminderte mit angepassten Hörgeräten erheblich sinkt. (4)

Hörgeräte erhalten die kognitive Leistungsfähigkeit

Eine französische Langzeitstudie dokumentiert den Zusammenhang einer unversorgten Schwerhörigkeit mit einem beschleunigten kognitiven Verfall bei älteren Erwachsenen. Bei den Untersuchungsteilnehmern, die Hörgeräte tragen, konnte beobachtet werden, dass dies dem kognitiven Verfall entgegenwirkt. (5)

Hörgeräte erhalten die Vitalität

Hörgeräte helfen schwerhörigen Menschen zudem, ihre Vitalität und körperliche Leistungsfähigkeit zu bewahren: Studien erkennen einen Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und geminderter körperlicher Funktionalität. Demnach kann das Invaliditätsrisiko älterer Menschen bei unbehandelter Schwerhörigkeit um 31 Prozent steigen. (6)

Hörgeräte verringern das Risiko von Depression und Einsamkeit

Eine Untersuchung von Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren belegte, dass das Risiko einer schweren Depression mit fünf Prozent pro Dezibel Hörverlust ansteigt. Die Wahrscheinlichkeit von Einsamkeitsgefühlen wuchs sogar mit sieben Prozent pro Dezibel. Die Versorgung einer Schwerhörigkeit mit Hörgeräten hilft diese Risiken zu verringern. (7)

Was tun bei ersten Anzeichen einer Hörminderung?

Diagnose entscheidet über Therapie!  Um welchen Typus von Schwerhörigkeit es sich im Einzelfall handelt, stellt ein HNO-Arzt fest. Schwerhörigkeit ist ein Symptom, hinter dem sich eine Vielzahl von Erkrankungen verbergen können, banale und gefährliche. Eine solche Erkrankung muss bis zur Heilung ärztlich begleitet werden. Die jeweilige Diagnose entscheidet dann über die optimale Therapie. Manchmal ist akut auftretende Schwerhörigkeit auch nur die Folge einer Verstopfung des Gehörgangs, weil ein Ohrenschmalzpfropfen nach innen gerutscht ist – der klassische Fall einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Die befreiende Therapie besteht dann aus nichts weiter als einer ausgiebigen Ohrenspülung.

Leider sind nicht alle Schwerhörigkeitsformen so einfach aus der Welt zu schaffen. Bei der Schallempfindungsschwerhörigkeit beispielsweise sind es zumeist die Haarzellen in der Hörschnecke, die in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sind. Als optimale Therapie empfiehlt sich hierbei in den meisten Fällen ein individuell angepasstes Hörgerät. Je nach Stadium, Schweregrad und individuellen anatomischen Voraussetzungen kommen verschiedene Hörgeräte in Betracht.

Der HNO-Arzt an Ihrer Seite

Um organisch bedingte Ursachen einer Schwerhörigkeit abzuklären, beginnt die Untersuchung beim HNO-Arzt meist mit der Aufnahme der Krankengeschichte. Dabei geht es auch um mögliche familiäre Vorbelastungen sowie um die berufliche Tätigkeit und die Freizeitgestaltung. Anschließend erfolgt eine ausführliche Untersuchung von Hals, Nase und Ohren. Dazu gehört die visuelle Untersuchung mit einem Ohrenmikroskop, die Veränderungen im Gehörgang und am Trommelfell off enbart. Ausführliche und absolut schmerzfreie Hörtests geben im weiteren Verlauf Auskunft über das Wahrnehmungsvermögen von Lautstärke und Frequenzen sowie über das Sprachverständnis. Untersucht werden zudem die Druckverhältnisse im Gehörkanal und die Funktionsfähigkeit der Gehörknöchelchen.

Auch notwendige computergestützte Diagnoseverfahren sind für Patienten schmerzfrei; sie eignen sich daher auch für Babys und Kleinkinder. Gegebenenfalls sind weitere labormedizinische Untersuchungen notwendig – beispielsweise ein Bluttest, um etwaige Stoffwechselkrankheiten zu erkennen.

Alle Informationen zu diesem Beitrag können Sie im "Ratgeber Hören - Sinn deines Lebens" ansehen und herunterladen.

Ihre
Roberta Udrescu
(Mitglied im Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte)

Quellenangaben:

1  Meldung der Weltgesundheitsorganisation (27. Februar 2015)
2  Mitteilung Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (22. Oktober 2015)
3  Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen, TNS Infratest Sozialforschung (2015)
4  Archives of Internal Medicine, Lin/Ferrucci (2012)
5  Journal of The American Geriatrics Society, Amieva et al. (2015)
6  The Journals of Gerontology, Chen et al. (2015)
7  Ear and Hearing, Nachtegaal et al. (2009)